Nachdem ich mich an der Petition "NEIN zum Offshore-Windpark Gennaker vor dem Fischland-Darss-Zingst" vor einer Stunde beteiligt habe, stehen die Telefone nicht still, Mails über Mails erreichen mich und auch auf Facebook geht die Diskussion entsprechend los. Nun kam die Bitte zu einem kleinen Interview oder einem Statement, der ich mich hiermit in aller Schnelle stellen möchte.
Ich darf voraus schicken: Die Petition halte ich für berechtigt!
Voran kommt immer wieder die Frage, ob wir Menschen nicht "Ökostrom" nutzen wollen. - Richtig, wir Menschen wollen „Ökostrom“! In diesem Sinne ist jedoch nur diejenige erzeugte Energie mit dem Attribut „öko“ zu versehen, die zum einen wirklich öko (Umwelt) und zum anderen „logisch“ betrachtet als „naturnah/umweltverträglich“ und an der natürlichen Tragfähigkeit (sog. ökol. Belastungsgrenzen) orientiert erzeugt wird. – Diese grundlegenden Bedingungen sind jedoch theoretisch und praktisch für das Projekt nicht erfüllt.
Ein solcher Nearshore-Windpark in dieser neuen Dimension sowohl jedes Bauwerkes (103x H=175m) wie des Projektes insgesamt bedeutet Neuland zu betreten. Das Projekt Gennaker gleicht keinem konventionellen Windpark im bislang üblichen Sinn.
Wir Menschen wollen Ökostrom! Gut! Aber wer sind die Betreiber und welche Ziele werden vorrangig verfolgt? Wer will den Strom erzeugen und warum? Gäbe es nicht alternative Ansätze, die zu verfolgen langfristig sinnvoller erscheint?
Geht es um die Energiewende? – Ich denke nein! Energiewende konkret bedacht heißt nicht vordergründig mehr Energie auf vermeintlich ökologischer Basis zu erzeugen. – Energiewende muss als erstes heißen, den generellen Energiebedarf zu verringern (Effizienz, Suffizienz) und gleichzeitig die Erzeugung, die Speicherung und die Verteilung umweltverträglicher zu gestalten.
Die Erzeugung von Energie aus Braunkohle [Verstromung] ist wirklich nur noch als Auslaufmodell zu verstehen – ein Umstand, über den wir nicht mehr streiten müssen. Außer in bestimmten Ministerien auch im Freistaat Sachsen; hier gilt es, z.T. erhebliche Illusionen von politischen und anderen Bühnen zu fegen.
Unter wesentlichen Aspekten nachhaltiger Entwicklung (auszugsweise hier nur genannt: Tragfähigkeit, Umweltverträglichkeit, Effektivität, Effizienz, Reversibilität, Rückbau und Entsorgungskosten sowie Kompatibilität mit Anschlusssystemen und –übergängen) bildete der Nearshore-Windpark Gennaker momentan mehr Fragen hinsichtlich seiner Verantwortbarkeit jetzigen wie zukünftigen Generationen gegenüber, als wir gesichertes Wissen geschweige denn entsprechende Antworten hätten. Es fehlen uns - bezogen auf Pfade nachhaltiger Entwicklung - die geeigneten Antworten, weil wir entweder a.) keine bzw. b.) zu wenige bzw. c.) die falschen Fragen gestellt haben.
Prozesse der Teilhabe der wirklich Betroffenen haben offensichtlich überhaupt nicht stattgefunden – es ist also auch ein demokratiefernes Handeln durch die Initiatoren und Betreiber festzustellen.
Technische Belange wie Leitungsverluste etc. sollen an dieser Stelle keine weitere Erwähnung finden, dafür gibt es hinlänglich Untersuchungen und geeignete Grundlagen. Und die deuten allesamt daraufhin, dass zentrale Energiegewinnung nicht dauerhaft sinnvoll ist. – Ein Umstand, der neben aller Technologie auch evolutionär bestätigt ist: Jedes lebende System stellt benötigte Energie nicht in einem einzelnen Organ her sondern verteilt die Energieumwandlung bzw. –erzeugung auf die Gesamtheit des Systems.
Nach den grundsätzlichen Anmerkungen und der Frage der Dimensionierung noch einige Ausführungen zur konkreten räumlichen Situation: Die Schwierigkeit der Nutzung der Kadettrinne. Sie gilt schon heute als ein Nadelöhr oder als neuralgischer Punkt der Ostseefahrrinnen und ist einer der am meisten befahrenen Seewege der Welt. Und da mitten hinein soll nun eine Offshore-Anlage gebaut werden… 2014 gab es 54.592 Schiffsbewegungen, davon 8719 Öltanker. An der schmalsten Stelle verringert sich der schiffbare Bereich je nach Tiefgang der Schiffe auf 500 bis 1000 Meter (also eine knappe halbe Seemeile). Dass das angesichts der „Supertanker“ mit hoher Tonnage bei dem bekannten Vortrieb eines solchen Schiffes nicht ungefährlich ist, leuchtet ein. Im übrigen geht die Seeverkehrs-Prognose für 2025 davon aus, dass in der Kadettrinne dann 260 Schiffe/Tag, darunter 42 Öltanker, verkehren werden… Schiffsbegegnungen mit Gruselfaktor! Damit verbundene Gefahren wären unvertretbar hoch ausgereizt.
Was brauchen die Menschen in der Region MVP, vor deren Toren und Küste Gennaker entstehen soll? – Sie brauchen Bedingungen, die ihnen die Erwerbseinkünfte durch Natur, Umwelt und Tourismus langfristig sichern.
Was brauchen die Menschen, die nicht in MVP leben? Sie brauchen die Gewissheit, dass sie in MVP weiterhin Natur, Umwelt und einen schönen Urlaub genießen können. Doch diese Sicherheit bietet ihnen das Projekt Gennaker überhaupt nicht.
Zur Petition: https://www.openpetition.de/petition/online/nein-zum-offshore-windpark-genaker-vor-dem-fischland-darss-zingst