Sprachpolitik und nachhaltige Entwicklung: Weitere Förderung des Instituts für Niederdeutsche Sprache (INS) unabdingbar!

Foto Dr. Reinhard Goltz, Geschäftsführer des Institut für Niederdeutsche Sprache in Bremen
Dr. Reinhard Goltz, Geschäftsführer INS

 

Das Institut für Niederdeutsche Sprache – kurz INS – ist von einem Wegfall seiner bisherigen Förderung bedroht. Nachhaltige Entwicklung – auch für diese Einrichtung  ist nicht erkennbar…

 

(Asshoff) Die Förderung des INS durch die Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein soll gekündigt werden. 

Aus diesem Grund sprach ich am 28.11.2016 mit Dr. Reinhard Goltz, Geschäftsführer des Institut für Niederdeutsche Sprache (INS) in Bremen.

 

Asshoff: Das Institut für Niederdeutsche Sprache – kurz INS – ist von einem Wegfall seiner bisherigen Förderung bedroht. Nachhaltige Entwicklung – auch für Ihr Institut – ist da nicht erkennbar…

Vielfalt zu erhalten ist eine zentrale Aufgabe für nachhaltige Entwicklung. Können Sie uns unter diesem Blickwinkel etwas zu Stellung und Wert des INS wissen lassen?“

Goltz: Ja, das ist in der Tat so. Es sollte nie so sein, dass Förderung kurzfristig oder spontan erfolgt. Sie muss auf einer Linie der Kontinuität erfolgen. Denn: Wie alle regionalen Minderheitensprachen in Deutschland ist das Niederdeutsche in seinem Bestand gefährdet. Die Sprecherzahlen sind in der Tendenz rückläufig. Wobei die Regionalsprachen und auch die Minderheitensprachen anerkanntermaßen zur kulturellen Vielfalt in Deutschland beitragen. Niederdeutsch wird in insgesamt neun Bundesländern gesprochen. Acht von diesen Bundesländern haben sich vor knapp 20 Jahren verpflichtet, die niederdeutsche Sprache unter den Schutz der Europäischen Sprachencharta[1] zu stellen. Bundesländer als auch Bund bestätigen, dass es sich um ein Kulturgut handelt, das schützens- und förderungswürdig ist. Im Bereich des Schützens und Förderns spielt das INS eine sehr zentrale Rolle. Das Institut arbeitet sowohl für die Sprache als auch für die Kultur im weiteren Sinne, wozu auch Literatur und Theater zählen. Das Institut leistet damit über die Bundesländergrenzen hinweg in diesen Bereichen eine zentrale Vernetzungsarbeit. Diese Arbeit ist wichtig, da Niederdeutsch in einigen Bundesländern auf dem Lehrplan steht. Nur durch die Arbeit eines solchen Instituts können gewonnene Erkenntnisse auch auf andere Bundesländer übertragen werden, muss das Rad nicht ständig neu erfunden werden. So leistet das INS eine entscheidende Vernetzungsarbeit über die Grenzen der Bundesländer hinweg.

Das INS ist mit seiner Bibliothek zentrales Dokumentationszentrum für all das, was in der Regionalsprache Niederdeutsch gedruckt oder auf Tonträgern vorliegt und bereitet durch entsprechende Datenbanken und seine Homepage dazu die Zugänge auf.

Über diese Datenbanken können durch die Öffentlichkeit spezielle Themen oder regional bezogene Informationen zum Niederdeutschen gewonnen werden.

Asshoff: Neben der inhaltlichen Arbeit ist das INS auch vielfältiger Impulsgeber für alle Themen rund um die Regionalsprache Niederdeutsch…

Goltz: … Das Institut ist die zentrale Anlaufstelle für alle Menschen, Vereine und Organisationen, die Fragen zur niederdeutschen Literatur, Kultur und Sprache haben. Diese Arbeit kann nur durch unsere umfangreiche Bibliothek geleistet werden. Das Institut war auch Impulsgeber für die verlässliche Verankerung des Niederdeutschen in Lehrplänen der Bundesländer. So ist seit 2010 Niederdeutsch im Hamburger Bildungsplan als Unterrichtsfach verankert. Vom Institut ging auch die Anregung aus, dass die Regionalsprachen stärker in Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen verankert werden sollten.

Asshoff: Also eine umfangreiche Arbeit mit jedoch nur sehr wenigen Personalstellen…

Goltz: … Ja, besonders wenn man weitere Aspekte betrachtet: Das Institut betreibt auch die Geschäftsführung des „Bundesraat för Nedderdüütsch[2]. Dieser ist die sprachpolitische Vertretung der Plattsprecher auf europäischer Ebene, also im Europarat. Auf der Bundesebene ist er Ansprechpartner für das Bundesministerium des Innern und den Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Dieses komplexe Geflecht an Aufgaben wird im Institut über lediglich drei Stellen bewerkstelligt. Daraus kann man sehr leicht schließen, dass die bisherige Förderung eher verhalten aussah... Sprachförderung verlangt im Zusammenhang mit den anderen Sprachgruppen der Sorben, Dänen, Friesen sowie Sinti und Roma ein sehr feinfühliges Handeln ohne Konkurrenzabsichten, wobei das Niederdeutsche in den letzten Jahren vielfach an letzter Stelle gestanden hat. Wenn jetzt die Forderung nach Kürzung umgesetzt wird, hat das zur Konsequenz, dass viele Bereiche nicht mehr über die Bundesländergrenzen hinweg organisiert werden können. Das bedeutet auch, dass die sprachpolitische Arbeit und darunter leiden wird. Und alles was bis vor wenigen Wochen und Monaten in den norddeutschen Bundesländern noch selbstverständlich in der Arbeit und Wertschätzung des Instituts erschien, würde jetzt grundlegend in Frage gestellt werden.

Asshoff: Was wäre jetzt aus ihrer Sicht wichtig; welches sind die Akteure, die jetzt handeln müssen?

Goltz: Wir haben in den letzten Wochen versucht, das Thema weg von der Verwaltungsebene zu einem Thema der Politik zu machen. Jedoch haben wir den Eindruck, dass das nur in sehr bescheidenem Maße gelingt. Die Politik, die vor vierzig Jahren dafür gesorgt hat, dass dieses Institut eingerichtet werden konnte muss zu dieser Entscheidung stehen, darf sich nicht aus der Verantwortung ziehen und der Verwaltung weitere Entscheidungen überlassen.

Sonst würden auch Grundsätze der Demokratie in Frage gestellt. Letztlich sollten die Volksvertreter darüber abstimmen und sich nicht von der Verwaltung unsicher machen lassen.

Allerdings kann man auch sagen, dass der Bund – das Bundesinnenministerium – sich für den Erhalt des Instituts sehr stark machen. Denn, so wird betont, ohne die Arbeit eines solchen Instituts ist die sprachpolitische und wissenschaftliche Arbeit zum Niederdeutschen nur sehr schwer zu leisten. Es muss gelingen auf der Länderebene durch die Parlamente noch mehr Einfluss auszuüben.

Dieser Prozess über die vier beteiligten Bundesländer hinweg muss jedoch von der vollen Wahrheit besonders in der Berichterstattung über die Arbeit des Instituts getragen sein.

Das Institut wird getragen über einen  eingetragenen Verein, der wie viele andere Vereine und Organisationen Gelder vom Staat bekommt, um Aufgaben im Sinne der Gesellschaft wahrzunehmen. Und eben solche Vielfalt müssen Politik und Staat aushalten können.

Asshoff: Gibt es mögliche Gründe für eine Versagung der Förderung ihres Instituts?

Goltz: Wir sind uns keiner Missstände am Institut oder Verfehlungen seitens des Instituts bewusst. Wir haben bis heute keine hinreichenden Gründe für diese Maßnahme gehört. Auch dem Bund gegenüber haben die Länder keine hinreichenden Gründe genannt, weshalb die Förderung ausgesetzt werden sollte. Insofern bin ich auch gar nicht sicher dass schon alle Entscheidungen getroffen worden sind. Es ist im Moment eine besonders schwierige Lage!

Asshoff: Vielen Dank für den Einblick in die Arbeit ihres Hauses und die derzeitige Situation! – Wir wünschen Ihnen und der Sprachpolitik in den Ländern sachorientierte Entscheidungen!

 

Hier kann man die Online-Petition für den Erhalt des Instituts unterzeichnen! https://www.openpetition.de/petition/online/erhaltung-des-instituts-fuer-niederdeutsche-sprache-ins  

 

 

Das INS im Netz: http://www.ins-bremen.de/ 

[1] Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen – Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ist ein multilaterales Abkommen im Rahmen des Europarates. Ziel dieses Abkommens ist es, geschichtlich gewachsene Regional- oder Minderheitensprachen als gemeinsames europäisches Erbe zu schützen und den kulturellen Reichtum Europas zu fördern. – Mit dem 1.1.1999 in Deutschland in Kraft getreten.

http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/148

[2] Bundesraat för Nedderdüütsch

 http://www.bundesraat-nd.de/

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