Rezension zu ISBN 978-3-86581-468-5

Tiddens, Harris C. M.: Wurzeln für die lebende Stadt. Wie wir die Eigenverantwortung von Stadtteilen stärken können und warum diese mehr Wertschätzung verdienen. Oekom Verlag 2014. 227 Seiten.

ISBN 978-3-86581-468-5

Summary: Vom Allgemeinen führt der Autor den Leser zur Besonderheit kleinteiliger Strukturen. Er weist auch an Hand von Beispielen nach, dass gegenwärtig vorherrschende Betrachtungsweisen von Städten erstens falsch sind und zweitens nur deren Betrachtung von der Basis her ein Erfolg versprechendes Prinzip darstelltEin beachtenswertes Grundlagenwerk zur Freisetzung von gesellschaftlichem Aktionspotential für nachhaltige Entwicklung, das verantwortlichen Akteuren für Stadtentwicklung und -planung auf den verschiedensten Ebenen als Grundlagenmaterial dienen sollte. 



(2.02.2014)  Gegenwärtige städtische Gesellschaften sind mindestens soziokulturell, ökologisch, technisch, ökonomisch und organisatorisch sehr komplex. Tendenzen zur fortgesetzten Urbanisierung werden mit bekannten und neuen Herausforderungen bis etwa zum Jahr 2050 anhalten; Städte als Lebensraum rücken deshalb immer mehr in das Zentrum allgemeinen wie fachlichen Interesses. Dabei herrscht zwischen vielen Kommunalverwaltungen und Verantwortlichen der Kommunen gegenwärtig zu wenig informationeller Austausch. Begleitend ist der permanent-latente Wunsch kommunaler Verwaltungen nach Vergleich oder Ranking ungebrochen – aus welchem Grund auch immer...

Doch angestrebte Vergleiche zwischen größeren – scheinbar vergleichbaren Städten – erweisen sich nicht über „die Stadt als solche“ praktikabel. Vielmehr gestaltet sich auf entsprechenden Ebenen wie Stadtteilen ein Städtevergleich sehr viel sinnvoller und sogar international möglich. Tiddens, auch durch seinen Arbeits- und Lebensmittelpunkt im „Reich der Mitte“ des Denkens jenseits europäischer Leitlinien mächtig, zeigt dem Interessierten zum einen jene Strukturen und Wirkmechanismen auf lokaler wie übergeordneter Ebene, die zu nachhaltiger Entwicklung führen können. Gleichzeitig liefert er als Insider Belege dafür, wie sich außerhalb Europas und jenseits der USA Wissenschaft erfolgreich zu etablieren versteht und dass China als ein Land fortschreitenden Wachstums besonders im sog. „grünen“ bzw. Nachhaltigkeitsbereich mehr zu bieten hat, als gemeinhin angenommen wird. – Chinas Wissenschaft, das können wir en passant erkennen, ist heute mehr als nur 科学 [ke xué], nicht nur ein Zergliedern von Objekten in deren Bestandteile, sondern folgt dem alten chinesischen (Nachhaltigkeits-?) Prinzip „Himmel und Mensch werden eins“.

Auf dem Weg von der Wissens- in die Verstehensgesellschaft bereichert dieses bestens aufbereitete Buch all jene interessierten Zeitgenossen, die Städte als wertbildendes und wertsteigerndes Allgemeingut sowie wesentliche Grundlage für Zukunftsgestaltung betrachten. – Es ist ein wahrhaftes Lehrbuch zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), eine sachgerechte Grundlage für Stadtplanungs- und Entwicklungsprozesse. Fernab einer verbreiteten eurozentristisch geprägten Sicht- und Verständnisweise werden solche realen Sachverhalte unserer Lebensumwelt erfasst, reflektiert und als gestaltbar dargestellt, wie sie für eine nachhaltige Entwicklung auf verschiedenen Ebenen dienlich bzw. notwendig sind.

Urbane Lebensräume verstehen lernen, verändern wollen und entsprechend verändern können: In diesem Spannungsbogen wird auf Kompetenzen und Lernfähigkeit von Kommunalpolitikern gesetzt. Zugleich gilt, dass Bürger sich noch besser als unmittelbare Experten für Lebensqualität vor Ort zu ihrer realen kommunalen wie überregionalen Bedeutung für Zukunftsgestaltung bekennen lernen.

Gegliedert in vier Hauptteile leistet der Autor eine überzeugende Fürsprache zur (Wieder-) Entdeckung und Entwicklung unseres Verständnisses über Stadtteile als Ausgangspunkt nachhaltiger Entwicklung. Stadtteile und Organismus werden nicht deskriptiv nebeneinander betrachtet – vielmehr wird deutlich, dass Stadtstrukturen „lebende Strukturen“ sind. Dieses Verständnis müssen kommunale Politik und Verwaltung erlernen und zur Grundlage ihres Handelns erklären.

Das Vorwort Ernst Ulrich von Weizsäckers sowie die sich anschließende motivierende Einführung des Autors sind für sich genommen schon begeisternd: Gelingt es Tiddens doch hervorragend, Wert und Stellung von Stadt und Stadtteilen im Ensemble einer notwendigen Prozessarchitektur für nachhaltige Entwicklung zu unterstreichen, Teil und Ganzes zu sehen sowie Lokales im Kontext von Globalem zu verdeutlichen.

Vom Allgemeinen führt der Autor den Leser zur Besonderheit kleinteiliger Strukturen. Er weist auch an Hand von Beispielen nach, dass gegenwärtig vorherrschende Betrachtungsweisen von Städten erstens falsch sind und zweitens nur deren Betrachtung von der Basis her ein Erfolg versprechendes Prinzip darstellt.

So stellt sich auch die Gliederung des Buches dar:

  • Die falsch verstandene Herausforderung
  • Die Stadt als höheres Lebewesen
  • Städte von der Basis aus betrachten
  • Was ist zu tun?

Nebst Vorwort und Einführung bietet das 227seitige Werk ab Seite 199 einen Annex, der Informationen bietet, die sonst nicht zur Allgemeinverfügbarkeit gehören. Mit diesen dort ablesbaren Grundinformationen können auch Leser außerhalb erwarteter Fachkreise sich der Lektüre stellen.

Schlagworte:

Stadt, Stadtteil, Stadtplanung, Stadtentwicklung, Städtevergleich, Bürgerwissen, Citizen Science, Nachhaltigkeit, nachhaltige Entwicklung, Bildung für nachhaltige Entwicklung.

 

Tiddens, Harris C. M.: Wurzeln für die lebende Stadt. Wie wir die Eigenverantwortung von Stadtteilen stärken können und warum diese mehr Wertschätzung verdienen. Oekom Verlag 2014. 227 Seiten.

ISBN 978-3-86581-468-5

Dieses Buch wurde als ClimatePartner klimaneutral hergestellt.